Kreml wollte Referendum in Schottland beeinflussen? Was wirklich im britischen Geheimdienstbericht steht

Der langerwartete britische Geheimdienstbericht über angebliche russische Einmischungen in britische Wahlen ist veröffentlicht worden. Hier wollen wir die Berichte der „Qualitätsmedien“ mit dem Originaltext des Berichtes abgleichen.

Der Spiegel titelte „Bericht des britischen Parlaments – Kreml wollte Referendum in Schottland beeinflussen“ und der Artikel begann so:

„Eine Analyse aus dem britischen Geheimdienstausschuss zeigt: Russland hat versucht, sich in Schottlands Unabhängigkeitsreferendum einzumischen. Auch zum Brexit-Referendum gibt es Fragen – und Kritik an der Regierung.
Russland hat versucht, das schottische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014 zu beeinflussen. Das geht aus einem Bericht des britischen Geheimdienstausschusses über die russische Einmischung in Politik und Wahlen hervor. Der Report sollte – nach monatelanger Verzögerung – noch am Dienstag publiziert werden.
Es handele sich um die „erste postsowjetische Einmischung in eine demokratische Wahl im Westen“, zitierte die Zeitung „Telegraph“ vorab aus dem lange erwarteten Report.“

Die Sache ist also eindeutig, wenn man dem Spiegel glauben will. Russland hat sich in den Unabhängigkeitsreferendum in Schottland eingemischt.

Bei der Süddeutschen Zeitung klingt es ein wenig vorsichtiger. Die Überschrift lautet „Britisches Parlament: Bericht sieht russische Einflussnahme auf Schottland-Referendum“ und in dem Artikel können wir lesen:

„Es sei die „erste postsowjetische Einmischung in eine demokratische Wahl im Westen“, heißt es einem Medienbericht zufolge in dem Dokument. Der Kreml bestreitet den Vorwurf.
Russland hat sich einem Untersuchungsbericht des britischen Parlaments zufolge in das schottische Unabhängigkeitsreferendum 2014 eingemischt. Dafür gebe es glaubwürdige Hinweise, heißt es in dem Bericht des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses, aus dem die britische Zeitung The Telegraph vorab zitiert.“

Interessant ist, dass sich bisher sämtliche Berichte der deutschen Medien auf den erwähnten Artikel des Telegraph berufen und nicht etwa auf den Bericht selbst. Den Bericht hat anscheinend niemand in den deutschen Redaktionsstuben gelesen. Merkwürdig, denn er ist ja online zu finden, zum Beispiele hier.

Wir sehen also, dass die deutschen „Qualitätsmedien“ ein bewährtes Rezept anwenden: An russischen Wahleinmischungen haben sie keine Zweifel, aber selbst machen sie sich nur selten mit Unwahrheiten die Finger schmutzig. Sie zitieren stattdessen den Telegraph und nehmen aus dem Telegraph-Artikel nur das, was in ihr Konzept passt.

Was wirklich in dem Bericht steht

Das Thema der russischen Einmischung in das schottische Referendum wird in den Absätzen 41 und 42 behandelt. Sie lauten (Die Sterne *** sind Schwärzungen):

„There has been credible open source commentary suggesting that Russia undertook influence campaigns in relation to the Scottish independence referendum in 2014.
However, at the time ***. It appears that *** what some commentators have described as potentially the first post-Soviet Russian interference in a Western democratic process. We note that – almost five years on – ***.“

Übersetzt heißt das:

„Es gab glaubwürdige Open-Source-Kommentare, die darauf hindeuteten, dass Russland Einflusskampagnen im Zusammenhang mit dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014 unternommen hat.
Allerdings zu der Zeit ***. Es scheint, dass *** das, was einige Kommentatoren als möglicherweise die erste postsowjetische russische Einmischung in einen westlichen demokratischen Prozess beschrieben haben. Wir beachten, dass – fast fünf Jahre später – ***.“

Das ist alles zu dem Thema, mehr steht da nicht.

Der Bericht beruft sich also nicht etwa auf geheime Informationen und Erkenntnisse. Er beruft sich auf „Open-Source-Kommentare“, also auf Kommentare in öffentlich zugänglichen Quellen. Wenn zum Beispiel die Times in einem Kommentar behauptet, Russland wolle sich aus diesen oder jenen Gründen in das Referendum einmischen, dann ist das ein solcher „Open-Source-Kommentar“. Und der ist nun ein Beleg für die russische Einmischung. So einfach geht das.

Das aber berichten die deutschen „Qualitätsmedien“ nicht. Sie berufen sich auf den Telegraph-Artikel, ohne ihn zu verlinken, sie verlinken auch den Geheimdienstbericht nicht. Ist der Verdacht, die „Qualitätsmedien“ wollen verhindern, dass ihre Leser diesen Bericht anschauen und bemerken, was da für ein Unsinn drin steht, aus der Luft gegriffen?

Frage: Wozu braucht es einen Geheimdienstbericht, wenn der nur das einbezieht, was ohnehin jeder in der Zeitung lesen kann?

Ist ein solches Vorgehen die Ausnahme?

Nein, solche Fälle gab es schon öfter, vor allem in Großbritannien.

Der berühmteste Fall war der Fall Skripal. Kurz nach dem Anschlag auf die Skripals hat die britische Regierung ein Papier herumgereicht, auf dessen Grundlage dann viele Länder russische Diplomaten ausgewiesen haben. Die „Qualitätsmedien“ haben über das britische Papier auch als „Belege“ berichtet. In diesem Artikel über den Fall Skripal habe ich die sechs Seiten des britischen Regierungspapiers komplett veröffentlicht. Es handelte sich dabei um eine Power-Point-Präsentation, mit der kein Abiturient sein Abitur bestanden hätte. Daher wurde das Papier selbst von den „Qualitätsmedien“ nie veröffentlicht, sie haben nur darüber berichtet, ohne es ihren Lesern zu zeigen.

Ein weiterer Fall wer kürzlich ein Bericht der „Five Eyes“, das ist ein Verbund der Geheimdienste der USA, Kanadas, Großbritanniens, Neuseelands und Australiens. Dabei ging es um Chinas angebliche Schuld an der Ausbreitung von Corona. Auch darüber haben die „Qualitätsmedien“ gerne berichtet und auch dabei haben sie verschwiegen, dass sich der Bericht nur auf Artikel in den Medien gestützt hat, die Details finden Sie hier.

Das waren nur zwei Beispiele, es gibt noch weit mehr. Nur berichten die „Qualitätsmedien“ nicht darüber, wie solche Berichte zu Stande kommen und was dort tatsächlich zu lesen ist.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. England braucht wieder neue Narrative!

    Wahlbeeinflussung? Na dann sollte man in England mal recherchieren, wie die „Briefwahlen-Stimmen“ manipuliert wurden. Viele Wähler waren sehr erstaunt, im Wahllokal plötzlich zu erfahren, dass sie bereits ihre Briefwahlstimme abgegeben hatten. Nachzulesen :https://www.craigmurray.org.uk/forums/topic/elections-aftermath/

    Pers. Anmerkung: Craig Murray, ehemaliger britischer Botschafter in Usbekistan dem man übel behandelt hatte. Mittlerweile setzt er sich ein für die schottische Unabhängigkeit!

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